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Nachbeben – Abseits der Schlagzeilen großer Tragödien

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An dramatische Schlagzeilen sind wir gewöhnt. Aber was passiert, wenn die erste Sensation vorüber ist?

Nichts, was wir uns über Leid, Tod und Schrecken zusammenreimen, kommt der Realität nahe. Oft findet die größte Brutalität als lautloser, bestialischer Akt statt: Wortlos und umso entsetzlicher. Wolfgang Böhmer erzählt von menschlichen Begegnungen abseits des Blitzlichtgewitters, von jenen Geschichten, die sich nicht in den Medien wiederfinden, die uns aber mitfühlen und miterleben lassen.

 

Medien

Sehr persönliches Gespräch mit Robert Kratky im Ö3-Wecker am 20.10.2014 Vielen Dank für das große Interesse und das sehr nette Feedback und die vielen Mails.

Der Talk im Wecker zum Nachhören:


 

 

FAQ

Warum haben Sie das Buch geschrieben?
Ich wurde auch Jahre nach den Reisen von sehr vielen Menschen darauf angesprochen. Sie hatten sehr oft ganz klare Erinnerungen an Reportagen von mir und kamen mit mir ins Gespräch. Sie wollten immer wissen, wie das denn wirklich war? Wie es mir selbst dabei ergangen ist, wie ich mit all dem umgehe, was ich erlebt habe. Die Menschen interessierte dabei nicht die Fakten, die man als Journalist berichtet, sondern das Menschliche dahinter. So kam die Idee zu dem Buch.

Haben Sie auf Ihren Reisen nie Angst gehabt?
Angst ist vielleicht das falsche Wort. Es ist eine Anspannung und oft auch Verunsicherung. Schließlich kommt man in fremde Länder, fremde Kulturen, die man als gewöhnlicher Tourist wohl nie besuchen würde. Wenn man Angst hat, muss man zu Hause bleiben. Wenn ich Angst gehabt hätte, wäre ich nicht gefahren. Anspannung ist das passende Wort. Man weiß nicht was einen erwartet. Man muss sich Menschen anvertrauen und hat doch nie die Gewissheit, dass man ehrliche, friedliche Menschen dabei trifft. Und meist hat man auf diesen Reisen auch keine Zeit für Angst. Man ist zu konzentriert auf seine Arbeit, seine eigene Sicherheit, man hat keine Zeit sich zu sehr Gedanken über Angst zu machen, was auch gut ist. Mir selbst hat immer mein Bauchgefühl geholfen. Wenn ich bei einer Entscheidung unsicher war und mir mein Bauch signalisiert hat, in dieses Gebiet sollte ich besser nicht fahren, bei diesen Menschen solltest du besser nicht in den Wagen steigen, habe ich auf meinen Bauch gehört. Die Angst kommt wenn überhaupt später: Wenn man heute die schrecklichen, bestialischen Morde an Journalisten sieht, die Terrorgruppen veröffentlichen, denke ich schon immer wieder daran, dass ich auch in diesen Regionen war, vielleicht Glück hatte verlässliche, gute Menschen dort zu treffen und nicht in die falschen Hände geraten zu sein, dann kommt in der Erinnerung doch so etwas wie ein Angstgefühl auf, wenn man an die Momente zurückdenkt, in denen ich wahrscheinlich einfach Glück gehabt habe.

Was sind für Sie heute die schlimmsten Erinnerungen, was die schönsten?
Es gibt keine einzelne, schlimmste Erinnerung. Es sind auch nicht die vielen, schrecklichen Bilder die man nur schwer aus dem Kopf bekommt und die man tief in sich vergräbt. Es sind Erinnerungen an Begegnungen und Menschen, die ich getroffen habe und denen ich eigentlich nicht helfen konnte. Es sind die Tränen einer Frau deren Kind verhungert, es ist der letzte Blick eines sterbenden Menschen, die Angst in den Augen eines verletzten Kindes, das von seinen Eltern getrennt wurde, die Schreie nach der Mutter die gerade gestorben ist. Es gibt viele Erinnerungen, die mich daneben einfach traurig machen. Schöne Momente gibt es in dieser Erinnerung nicht. Wenn dann sind es Begegnungen, die mir neben aller Traurigkeit und Dramatik Kraft gegeben haben.

Fahren Sie weiter in Krisengebiete?
Ja und Nein. Ich war über zehn Jahre regelmäßig unterwegs und habe immer gesagt, wenn ich selbst Kinder habe, werde ich damit aufhören. Ich habe alles gesehen und erlebt über das ich als junger Journalist im Ausland berichten wollte. Dazu kommt, dass Reisen nur mehr selten, selbst von großen Medienhäusern, genehmigt und bezahlt werden. Man verlässt sich auf internationale Agenturen, Stimmen die über das Netz kommen und Bilder von Quellen die man oft nicht einmal kennt. Ich selbst halte diese Entwicklung für sehr bedenklich. Wenn ich nicht weiß wie unabhängig und objektiv Erzählungen, Berichte und Bilder sind, habe ich ein Problem mit einer objektiven Berichterstattung. Ich muss vor Ort sein, um zumindest einschätzen zu können, ob das was mir erzählt wird, die Bilder die mir gezeigt werden, der Wahrheit – die wie immer viele Seiten hat – entsprechen.
Trotzdem reizen mich Einsätze und Fahrten nach wie vor – nur achte ich mit Rücksicht auf die eigene Sicherheit etwas mehr darauf, wohin die Reise geht.

Warum haben Sie das gemacht?
Weil ich seit Kindheit davon geträumt habe. Ich bin mit den Erzählungen meines Vaters und meiner Tante groß geworden, die den Krieg in Europa erlebt haben. Mich haben diese Erzählungen von Kindheit an tief beeindruckt und sehr interessiert. Den Satz meines Vater „Du hast ja keine Ahnung, was ein Stück Butter für uns bedeutet hat“ werde ich nie aus meinen Ohren bekommen. Es ist – bildlich gesprochen – dieser Satz der mich schon früh auf die Idee gebracht hat, dorthin zu fahren, wo ich erfahren kann, was Hunger bedeutet, Krieg und Schrecken. Dass mich diese Reisen am Ende selbst verändern, damit habe ich freilich nicht gerechnet.

Wie gehen Sie selbst mit dem Leid um, das Sie gesehen haben?
Ich habe keine Albträume, wenn Sie das meinen. Es liegt aber alles tief vergraben irgendwo in mir drinnen. Ich führe ein normales Leben – das sich allerdings durch diese Reisen verändert hat. Ich schätze den Wert eines Lebens in einem sicheren, friedlichen Land, sehe was wir alle als selbstverständlich sehen vielleicht mit anderen Augen. Ich ertappte mich im Restaurant dabei, dass ich nachdenklich werde, wenn Freunde nicht wissen, was sie essen sollen, weil sie eigentlich keinen Hunger haben. Vor allem aber kann ich das Jammern nicht mehr hören, das bei uns häufig zum Alltag gehört. Von vielen wird ständig gejammert wie schlecht und schlimm alles sei. Glauben Sie mir – auch wenn es bei uns oft und für viele Menschen nicht viel zu lachen gibt, ich den Hut etwa vor alleinerziehenden Müttern ziehe, die alleine mit ihren Kindern finanziell über die Runden kommen müssen – es geht uns in Europa nicht schlecht. Ich habe mir oft gewünscht, ich könnte Freunde, Bekannte, eigentlich jeden hier in ein Flugzeug setzen und das erleben lassen, was ich erlebt habe – ich bin mir sicher, es würde weniger gejammert werden und wir wären alle deutlich zufriedener.


 

 

Hesmats Flucht – Eine wahre Geschichte aus Afghanistan

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Hesmat lebt in Mazar-e Sharif und ist acht Jahre alt, als die Mutter stirbt und wenig später sein Vater umgebracht wird. Völlig auf sich allein gestellt, beschließt der Elfjährige allein zu fliehen. Er flüchtet zu Fuß über die 5000 Meter hohen Pässe im Hindukusch, wird von Menschenhändlern verfolgt, mehrmals festgenommen und landet in Gefängnissen in Turkmenistan, Kasachstan und der Ukraine. Auf der Flucht findet er einen Freund, der den Traum nach Europa zu kommen mit dem Leben bezahlt. Er gerät in die Hände brutaler Menschenschmuggler, wird hintergangen, geschlagen und von Grenzpolizisten festgenommen, überlebt aber wie durch ein Wunder. Nach elf Monaten landet Hesmat halb verhungert, gequält und mit letzter Kraft in Österreich. Als er in Österreich auf seine Abschiebung wartet, begegnet ihm der Journalist Wolfgang Böhmer. Der Österreichischen Innenminister hört Böhmers Reportage im Radio und beschließt spontan dem Jungen die humanitäre Aufenthaltsbewilligung zu geben und verhindert damit die drohende Abschiebung von Hesmat.

Heute lebt Hesmat in Innsbruck, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Mit Wolfgang Böhmer verbindet ihn seit Jahren eine enge Freundschaft. 2014 wurde Hesmat die Österreichische Staatsbürgerschaft überreicht.

 

 

Rezensionen

DIE ZEIT

Spannend und völlig kitschfrei schildert Wolfgang Böhmer die Odyssee des Jungen Hesmat
…Wolfgang Böhmer, Jahrgang 1970, kennt sich aus in den Krisengebieten der Welt und widerstand der Versuchung, aus Hesmats Geschichte einen Sensationsbericht zu konstruieren. Fest verankert in Ethos und Qualität des aufklärenden Journalismus, erzählt er mit handwerklichem Geschick. Wir erleben einen auktorialen Erzähler, der berichtet, ohne eifernd Partei zu ergreifen. So gelingt ihm das Kunsttück, die Auflösung Afghanistans, einen weltpolitischen Konflikt, am authentischen Einzelschicksal eines jungen Menschen darzustellen.

Birgit Dankert


Süddeutsche Zeitung

… Böhmer macht ein Radio-Interview mit Hesmat, das der damalige österreichische Innenminister Ernst Strasser hört und das ihn so bewegt, dass er Hesmat spontan das Bleiberecht in Österreich sichert. Die Geschichte dieser Flucht liest sich spannend und erschütternd…

Birgitt von Maltzahn


Die Presse

…“Ich werde nicht hierbleiben“, sagte Hesmat. Oder: „in den Wagen“, befahl der Kommandant, „wir fahren.“ In solch einfachen Worten schildert Journalist Wolfgang Böhmer eine Herbergsuche der Jetztzeit…
Böhmer weiß die wahre Geschichte packend nachzuerzählen. Wenn er einen Blick auf Hesmat und sein Schicksal wirft, dann ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Dafür umso bewegender.


Falter

Normalerweise hetzen Journalisten von Geschichte zu Geschichte. Wolfgang Böhmer hat sich Zeit gelassen. Der Ö3-Journalist, der bereits aus vielen Katastrophengebieten der Welt berichtete, traf 2003 einen jungen Flüchtling, der in einem SOS Kinderdorf in Telfs in Tirol auf seine Abschiebung wartete. Drei Jahre lang hörte Böhmer dem jungen Hesmat zu, bis er dessen Leben in Buchform veröffentlichte. (…) Böhmers Bericht rettete den Flüchtling vor einer Abschiebung:…“


Westfälische Nachrichten

…Die Geschichte, vom Autor sorgfältig recherchiert und im besten Sinne des Wortes ergreifend beschrieben, geht unter die Haut. Die Details der gefährlichen Flucht werden ebenso präzise wie spannend geschildert, ohne jedes Pathos oder falsche Romantik. (…) Ein fantastisches Buch – das eine beeindruckende Ahnung vom Schicksal vieler afghanischer Jugendlicher gibt.

Dorle Neumann


Deutschlandfunk

Wolfgang Böhmers Sprache ist klar. Niemals wird er sentimental. Anders wären der Schrecken, die Gewalt, die völlige Verrohung auch nicht zu ertragen. Er macht dem Leser bewusst, wie selbstverständlich für uns heute Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind und er sensibilisiert für das Schicksal der Menschen, die heimatlos und oftmals unerwünscht in der Fremde leben müssen.


Geograffiti 2, Geographie für BBS

Allen, die das Wort Flucht annähernd begreifen wollen, sei dieser Roman empfohlen.


Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur Wien

…Eindrücklich aber dennoch ohne Pathos und vor allem ohne Partei zu ergreifen, wird die Leidensgeschichte des Jungen als Stellvertreter für einen weltpolitischen Konflikt erzählt. Immer auf Hesmats Augenhöhe, nie einen Schritt voraus, sind die LeserInnen unmittelbar konfrontiert mit den Strapazen des Jungen.


 

 

FAQ

Wie haben Sie Hesmat zum ersten Mal getroffen?
Ich habe Hesmat kurz vor Weihnachten 2002 zum ersten Mal getroffen. Ich habe nach einer Reportage für die Weihnachtsfeiertage gesucht, die nichts mit Konsum und Geschenken zu tun hat. Ein Freund beim SOS Kinderdorf hat mir von einem kleinen Jungen erzählt, der genau ein Jahr zuvor am 24.12. über den Grenzfluss nach Österreich geschwommen war und eine unglaublich dramatische Flucht hinter sich hatte. Ich habe Hesmat dann besucht und ihn zum ersten Mal getroffen. Er wartete auf seine Abschiebung nach Afghanistan, war verängstigt und unsicher. Nach meiner Radioreportage hat sich der Innenminister bei mir gemeldet und erklärt, er habe die Geschichte im Radio gehört und war dermaßen ergriffen, dass er Hesmat das humanitäre Bleiberecht verleihen wird. Damit konnte Hesmat in Österreich bleiben und wir wurden Freunde.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Buch über Hesmat zu schreiben?
Hesmat war von seinen schrecklichen Erlebnissen traumatisiert und hatte kein Vertrauen zu den Menschen. Nachdem er erlebt hatte, dass ich ihm helfen konnte, begann er mir zu vertrauen und zu erzählen. Wir trafen uns einen ganzen Sommer lang und redeten. Ich habe diese Gespräche für eine lange Radioreportage gesammelt, am Ende erzählte er mir aber von seiner großen Angst: Er hatte kein Bild von seinen Eltern, nichts was je zeigen würde, dass sie tatsächlich gelebt hatten, dass sie je eine richtige Familie waren. Er erzählte, dass er nicht mehr weiß, wie seine Mutter genau ausgesehen hat – er konnte sich nur noch an den Duft ihrer Haare nach Rosenwasser erinnern und mit jedem Tag verschwamm das Bild seiner Familie in seinem Kopf mehr. Da kam mir der Gedanke seine Geschichte niederzuschreiben, um ihm irgendwann ein Buch in die Hand geben zu können, die seine Geschichte und die Geschichte seiner Eltern erzählt. Sozusagen als Beweis, dass es sie gegeben hat.

Wie war es, als er das Buch gesehen hat?
Er war total überrascht. Ich habe ihn nach seiner Arbeit abgeholt und wir haben zusammen einen Kaffee getrunken. Dann habe ich ihm das Buch in die Hand gedrückt. Er war überrascht, wurde sehr ruhig, blätterte in dem Buch und begann zu lesen. Lange konnte er nicht weiterlesen, da die Erinnerungen sofort wieder zurückkamen. Es war nicht leicht für ihn. Schließlich aber hat er das Buch gelesen und war sprachlos. Es ist, sagte er, als würde er alles noch einmal durchleben. Für mich als Autor war das natürlich ein großes Kompliment.

Wie geht es Hesmat heute, was macht er?
Hesmat geht es sehr gut. Er lebt nach wie vor in Innsbruck und arbeitet als Systemadministrator in einem großen, internationalen Konzern mit Sitz in Innsbruck. Er ist inzwischen verheiratet und Vater eines lieben Sohnes, Roman. Er hat seine Freund in Tirol gefunden und kümmert sich in seiner Freizeit auch immer wieder um andere, junge, unbegleitete Flüchtlinge, die alleine auf der Flucht sind und in Tirol und Österreich landen.

Hat Hesmat Medizin studiert?
Nein. Hesmat hat nach der Schule zu arbeiten begonnen und eine Lehre als Elektrotechniker mit Auszeichnung absolviert. Er wollte sein eigenes Geld verdienen, auf eigenen Beinen stehen, was er ja auch geschafft hat. Natürlich hatte er immer wieder den Traum vom Studium, inzwischen ist er als Vater für seine Familie verantwortlich und denkt nicht an seine Träume, sondern versucht seiner Familie die Träume zu erfüllen. Ein gutes Leben für seine Frau und seinen Sohn. Die Arbeit die er inzwischen hat, füllt ihn gänzlich aus. Er hat eine tolle Arbeitsstelle gefunden, viel Verantwortung und Wertschätzung von den Kollegen für ihn.

Ist Hesmat je nach London gefahren?
Nein – leider nicht. Wir hatten auch nach der Buchveröffentlichung immer wieder die Idee dazu, aber haben nicht die passende Zeit gefunden. Er lacht immer wenn wir davon sprechen und möchte jetzt dann mit seiner Familie endlich den Trip nach London nachholen.

Hat Hesmat noch Kontakt zu Menschen die er auf der Flucht getroffen hat?
Kaum noch. Es ist auch schwierig, da die meisten umgezogen sind. Sayyid, mit dem er nach seiner Flucht noch ein, zweimal telefoniert hat, wohnt heute in Kanada, andere sind nach Skandinavien weiter oder zurück nach Afghanistan.

Hat Hesamt seinen Bruder je wieder gesehen?
Ja. Sein Bruder lebte bei der Großfamilie und wurde auch von seinem Großvater akzeptiert. Hesmat weiß nicht warum, aber vermutlich hängt es damit zusammen, dass sein Bruder einfach viel kleiner war als Hesmat und nicht so viele bohrende Fragen gestellt hat und von seinem Großvater sozusagen als eigenes Kind großgezogen werden konnte. Nachdem Hesmat in Österreich gelandet war, hat er schließlich auch seinen Großvater telefonisch erreicht. Dieser wollte aber von Hesmat immer nur Geld. Geld für die Familie und Geld für Hesmats Bruder. Schließlich, nach dem Tod des Großvaters, hat Hesmat seinen Bruder nach Österreich geholt. Leider hat er sich hier aber nicht wohl gefühlt. Er war noch ruhiger, noch introvertierter als Hesmat und konnte mit den Blicken auf den „Ausländer“ nicht leben. Nach einem Jahr ist er zurück nach Afghanistan wo er mit dem Deutsch, das er hier gelernt hatte, als Dolmetscher am Flughafen in Mazar arbeiten konnte. Inzwischen erfüllt er sich aber seinen großen Traum: Er wollte immer Fußballer werden und hat inzwischen einen Verein in Doha gefunden, wo er spielen kann. Er ist regelmässig via Skype in Verbindung mit Hesmat.

Ist das wirklich alles so passiert oder ist ein Teil erfunden?
Das ist tatsächlich alles so passiert. Ich musste sogar einige Teile stark kürzen, damit das Buch nicht noch umfangreicher und dicker geworden ist. Ich habe seine Geschichte nachrecherchiert, mit Flüchtlingsbetreuern gesprochen und auch in Afghanistan recherchiert. Als wesentliche Basis dienten seine Erzählungen und meine Recherchen. Die Ortschaften, Flüsse, Menschen die Hesmat gesehen und getroffen hat, gibt es wirklich, es ist nichts erfunden oder dramatischer gemacht, als es tatsächlich war.

Ist Hesmat je wieder nach Afghanistan zurückgekehrt?
Ja. Hesmat ist nach sieben Jahren in Österreich zum ersten Mal nach Afghanistan zurück. Er hat das Grab seiner Eltern besucht und hat dort auch eine Totenfeier für sie organisiert. Er hat seinen Bruder besucht und auch nach Tuffon gesucht, den er leider nicht gefunden hat. Erst im Sommer 2014 war er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn wieder in Afghanistan.

Was denkt Hesmat heute über seine alte Heimat?
Er sieht die Probleme in seiner alten Heimat und hat Angst, dass sich die Situation in den kommenden Jahren wieder deutlich verschlechtern wird. Er setzt sich sehr für Rechte der Frauen in Afghanistan ein und schimpft über Korruption und Kriegstreiberei. Die Arbeit der internationalen Truppen, vor allem auch der Deutschen Bundeswehr, haben in seiner alten Heimat sehr viel Gutes bewirkt. Nach dem Abzug der internationalen Truppen befürchtet er aber ein Wiedererstarken der Taliban und radikaler Kräfte. Er blickt damit sehr sorgenvoll in die Zukunft seiner alten Heimat.

Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben?
Wenn ich alles zusammenrechne, die Gespräche, die Recherche und das eigentliche Schreiben, dann hat die Arbeit knapp ein Jahr gedauert. Die längste Zeit haben wir nur gesprochen. Schließlich musste ich aber viele Stunden an Gesprächen niederschreiben und mir einen Rohentwurf und ein Konzept zurecht legen. Er hat ja nicht bei seiner Geburt begonnen und hat mit der Ankunft in Tirol geendet. Hesmat ist in seiner Erzählung ständig von der Gegenwart in die Vergangenheit gesprungen, hat dann wieder von seinen Hoffnungen und der Zukunft geredet, dann wieder vom Tod der Mutter und schließlich der Angst in einem Versteck in Kiew. Ich musste also zuerst sozusagen den roten Faden finden und überlege, wo beginne ich. Das eigentliche „Niederschreiben“ der Geschichte hat dann nur mehr wenige Wochen gedauert.

Ich würde Hesmat gerne persönlich kennen lernen. Kann ich Kontakt zu ihm aufnehmen?
Leider ist das nicht möglich. Er lebt sein eigenes Leben, kümmert sich um seine Familie und versucht heute seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Wir sprechen oft über früher, trotzdem ist es immer wieder auch eine Belastung für ihn. Er blickt gerne nach vorne und hat – so schildert er es – schon als Kind eine Mauer errichtet hinter der er seine Vergangenheit, das Schreckliche eingemauert hat. Für mich, sagt er, hat er die Mauer noch einmal niedergerissen, um mir einen Blick darauf zu geben – jetzt errichtet er sie wieder. Er möchte nach vorne blicken, nicht in seine schlimme Vergangenheit. Trotzdem können Sie Hesmat gerne schreiben – ich gebe ihm alles verlässlich weiter und natürlich freut er sich immer wirklich sehr über Menschen, die Anteil an seiner Geschichte und Vergangenheit nehmen und liest Briefe mit großem Interesse und viel Freude. Trotzdem – und wir alle verstehen das – will er nicht ständig nur über Schrecken, Flucht und Vergangenheit sprechen.